...und hier ist meine Story dazu, vielleicht etwas lang geraten, aber der Drachen hat es verdient :
The Long Way Home oder die Endeckung der(s) Langsamk(e)it(e)
Es war schon ein langer Weg bis er den Weg zu mir nach Hause fand: Neugierig gemacht durch einen Artikel auf Kite-Tests.de versuchte ich Erkundigungen einzuholen was es nun mit diesem neuartigen Drachen wohl auf sich hat, allerdings mit eher mageren Erkenntnissen. Die Videos auf der Homepage seines Erfinders, Thomas Horvath, liefen auf meinem alterschwachen Computer nicht und irgendwie konnte ich mir nicht so richtig vorstellen was da so „revolutionär“ sein soll.
Erst auf dem Donaueschinger Drachenfest, herrliche Frühlingssonne aber fast kein Wind, stach mir ein großer langsam schwebender einfarbiger Drachen ins Auge und ich wusste sofort: das muss er sein. Der freundliche Besitzer bestätigte meine Vermutung und bat mir einen Probeflug an. Ab diesem Zeitung war mir klar was mein nächster Drachen sein soll, allerdings der Preis – des vom Meister selbst genähten und bestabten Drachen – lies vorerst keinen Spontankauf zu, dabei ist mir schon klar, dass ein in der Schweiz oder in Deutschland gebauter Drachen mehr kosten muss als einer der in China oder in Polen genäht wird, damit ein heimischer oder Schweizer Drachenbauer davon leben kann.
Normalerweise löse ich dieses Finanzproblem für mich so, dass ich die erste Hype um einen neuen Drachen abklingen lasse und mir dann einen gebrauchten suche. Also hab ich ins Drachenforum ein entsprechendes Gesuch reingestellt, Thomas Horvath angemailt ob er was Gebrauchtes hat – beides erfolglos. Schade aber anderseits ein Zeichen, dass dieser Kite was besonderes sein muss, wenn er nach 2 Jahren nicht gebraucht zu haben ist.
Langsam wurde mir klar, dass ich einen anderen Finanzierungsweg suchen muss. Nachdem sich in meiner Drachtasche Exemplare befanden, die sich dort relativ langweilten (seit ich zwei der neuen Multiflexe F von Wolfgang Neumann habe, kommen andere Kites nur noch wenig in die Luft) überlegte ich, dass ich mit dem Verkauf zweier Drachen zumindest einen der kleineren „Horvath´s finanzieren könnte. Nun war das Geld vorhanden, war aber noch unschlüssig welchen der Drei: cést la vie, like a rolling Stone oder the long way home. Geflogen bin ich ja nur den letzteren. Thomas Horvath bot mir dann an auf dem Malmsheimer Drachfest Probe zu fliegen. Leider war dann auf dem Fest dafür zu viel Wind für diese Schwebedrachen. Ein Gespräch mit Martin Schob und Michael Kownatzki die auch auf dem Fest waren brachte mir dann die Entscheidungshilfe für den Long Way Home.
Da ich immer noch keinen gebrauchten fand hab ich mich entschlossen mir dann nun endlich doch einen neuen zu bestellen. Die Farbauswahl dieses eher puristisch einfarbig designden Drachen war einfach: ich wählte „silbern“. Eine Bestellung über Internet und Telefon weltweit ist heute unproblematisch, dass die Bezahlung in die Schweiz so kompliziert ist hätte ich nicht gedacht, liegt sie doch fast bei klarem Wetter in Sichtweite. Zwei mal große Formulare nach dem Außenhandelsgesetz mussten ausgefüllt werden (bezahle ich Kriegswaffen?) und relativ hohe Gebühren für die armen deutschen und Schweizer Banken bezahlt werden, aber es klappte. Am letzten Novembersonnntagabend erreichte mich von Michael der Anruf dass er mir den Drachen ganz frisch direkt aus Zürich mitgebracht hat, warten wollte ich nun nicht mehr länger, sondern bin gleich die 30 km durch die Nacht gefahren um ihn noch am selben Abend abzuholen.
Nun lag er vor mir sicher verpackt in einer stabilen Plastikröhre. Der Aufbau einfach: beide Leitkanten zusammenstecken, die Spreize so einspannen dass sie sich kräftig durchbiegt, fertig. Auf den ersten Blick ein großer sehr leichter Delta, einfarbig aus einem einzigen Paneel genäht, eigentlich nichts Spektakuläres. Erst mit dem zweiten und den darauffolgenden Blicken erschließen sich spannende, mir eher unbekannte Details. OK, die super Verarbeitung ist für einen Schweizer Drachen nicht so ungewöhnlich, auch Schweizer Uhren sind ja dafür bekannt, trotzdem möchte ich erwähnen wie sorgfältig alles verarbeitet ist. Z.B. sind die Muffen mit Klebedacron umklebt, jeder Knoten ist sicher heiß verschmolzen, die gehen sicher nie unbeabsichtigt auf, usw….
Spannend sind die Details (Urban Ninja-Nutzer werden es zum Teil wohl schon kennen) , wie eine sogenannte „Z-Line“ mit der sich der Kielstab variabel zur gebogenen Querspreize verändern lässt, oder die sogenannte „y-line“ mit der sich die Leitkanten so verändern lassen dass das Segel sich leicht entspannen lässt –(erinnert mich entfernt an die Spannschnur eines Rokakku). Dazu kommt eine verstellbare Zweipunktwaage und eine PVC-Cap als Nasengewicht, dies ist die dritte und vierte Variante der Tuningmöglichkeiten. Viele Kiter fliegen ja ihren Drachen immer in der „Werkseinstellung“ ich dagegen experimentiere ganz gerne, da wurde mir schnell klar, dass die vier Variablen sehr viel Zeit und Versuche in Anspruch nehmen werden.
Ein anderes Detail ist der Leitkantenaufbau. An der Spitze ist wie bei anderen Einleinerdeltas wohl üblich kein Stab, dann kommt ein gewickelter Skysharkstab, darin steckt ein dünneres gezogenes CFK-Rohr und das ganze endet in ein flexiblen dünnen gewickelten GFK-Stab.
Gespannt war ich nun natürlich aufs Fliegen. Am nächsten Tag war Wind so zwischen 8 und 11 kmh für den Lwh eigentlich viel zu viel Wind. Ich konnte mich aber nicht beherrschen, zumal ich wusste dass auch mal eine Böe jenseits von 2 Bft den Drachen nicht zerstören kann. Also die mitbestellte spezielle gelbe „Ergo“- Schnur ausgelegt, den Drachen angeleint und per Hochstart gestartet. Der Lwh legt seine Flügel nach hinten an, geht in einer geraden und präzisen Flugbahn nach oben, breitet dort seine Flügel wieder aus und legt sich auf den Wind, dabei zieht er bei diesem Wind während des Steigfluges relativ stark an der Leine und ist oben angekommen als Standdrachen (dann ohne großen Zug) zu benutzen. Am nächsten Versuchstag gab es nur ganz schwachen Wind zwischen 0 und 3 kmh (lt. Windmaster), 0 Grad Celsius, Nebel, Raureif, Drachen und Schnur waren in kurzer Zeit mit einer dünnen Eisschicht bedeckt, bald war das Ganze zu schwer. Nächster Versuch an Heilig Abend, der Baum geschmückt, die Krippe aufgebaut. Auf den mittleren Schwarzwaldhöhen Sonne, 8 Grad Wärme und Wind zwischen 0 und 4 kmh, ideale Verhältnisse. Leine auslegen, Drachen hochziehen und beobachten und vorsichtig eingreifen: mir kam das Motto der Schauinslandseilbahn bei Freiburg in den Sinn „ Schauen, schweben, selig sein“ in den Sinn. Eher zufällig noch gelangen lange „Fly-aways“ : den Drachen 30, 50, 70 oder 100m auf dem Wind wegleiten lassen umdrehen, den Drachen wieder Höhe gewinnen lassen, herfliegen und überfliegen lassen, alles eher unaufgeregt, langsam geschehen lassen…
Inzwischen habe ich noch einige sonnige windarme Flugstunden in der Oberrheinebene mit dem Lwh verbracht, viele Einstellkombinationen ausprobiert und mit jedem Mal macht er mehr Spaß, auch weil es mir immer besser gelingt, den Drachen dorthin fliegen zu lassen wo ich möchte. Bisher haben mich windarme sonnige Tage geärgert, da sie mir auch mit SUL oder Indoorkites nicht so richtiges spassmachendes Trickdrachenfliegen erlauben, jetzt freue ich mich auf diese Wetterlage. Bei Standardwind packe ich aber weiterhin meine Zappeldrachen aus um mich trickflugmäßig auszutoben.
Fazit:
Dass der Long – Way – Home aus der Schweiz kommt wundert mich nicht, den Vorurteilen entsprechend müsste er statt aus Zürich eher aus Bern kommen. Dieses meditative entspannende langsame Schweben, das aber mehr als ein Einleiner und anders als ein Lenkdrachen ist hat für mich persönlich ein hohes Suchtpotential. Es ist kein Drachen für eilig gestimmte Menschen, mal zwischendurch, für mal eine halbe oder ganze Stunde in der Mittagspause, man braucht Zeit und Ruhe, es ist kein Drachen um sich auszutoben, eigentlich passt er so gar nicht in unsere schnelle Zeit, oder gerade doch …..???
Gruß
Thomas