Mal zur Abwechslung wieder ein Flugbericht:
Als Binnenländer bin ich nur selten vom Winde verw(f)öhnt. 3-4Bft gibt es ohne störende Böen und den fast zwangsläufig dazugehörigen Regen bei uns in Rhein-Main nur äußerst selten. Um so mehr habe ich mich auf unseren Urlaub in Dänemark gefreut.
Heute durfte mein Long-Dart das erste Mal Seeluft schnuppern. Das Wetter war heute den ganzen Tag durchwachsen, daher stand heute bummeln in Ringkøbing auf dem Programm. Als gegen Abend aber der Himmel aufriß, machte ich mich auf den Weg an den Strand. Hier im Forum hatte ich gelesen, dass es zwischen Henne Strand und Vejers einen Strandabschnitt gibt, der direkt mit dem Auto anfahrbar ist. Also los!
Es weht ein frischer, auflandiger Wind mit guten 4Bft. Den Drachen aufgebaut und angeleint, das Segel mit etwas Sand beschwert, Leinen ausgerollt. Ein beherzter Ruck zum Start und zack ... der Drachen kreist wie angestochen um sich selbst. Einer der beiden 50kg-Leinen, die im Binnenland immer völlig ausreichend waren, ist 20cm unterhalb der Mantelschnur gerissen. Ich wickele die 40m wieder auf und nehme die 50m Leinen mit 100kg, die ich eigentlich für den noch ungeborenen Long-Dart Magnum vorgesehen hatte.
Also nochmal das Ganze: Etwas Sand auf's Segel, Leinen abwickeln, ein Ruck und der Drachen startet - endlich. Ich fliege die ersten Kurven, gewöhne mich an den ungewohnt gleichmäßigen Wind, gewinne Vertrauen. Der Drachen kann die schweren Leinen nicht ganz durchziehen, folgt aber trotzdem präzise jedem Lenkimpuls.
Bislang bin ich das gute Stück immer bei 2-3 Windstärken im Binnenland an 40m/50kg Leinen geflogen, aber das hier ist etwas ganz anderes. Der Wind weht gleichmäßig, der Drachen legt sich in die Brise, bleibt jederzeit gutmütig und zieht weiträumig seine Schleifen. Selbst am Rand des Windfensters und in Bodennähe, wo er im Binnenland immer etwas "zickig" wirkte und schwer zu kontrollieren war, verhält sich der Long-Dart hier gutmütig und vorhersehbar. Die zusätzlichen 10m Auslauf durch die längeren Leinen quittiert er dankbar.
Inzwischen schaut sogar die Sonne zwischen den Wolken hervor, das Farbenspiel im Segel ist im Abendlicht wunderschön anzuschauen. So fliege ich weite Loopings, hinauf in den Zenit, senkrecht nach unten, kurz vor dem Boden wieder zur Seite, hin und her. Messerscharfe Groundpasses, die ich im Binnenland nie so hinbekommen hätte, gelingen mir wie selbstverständlich mit einer Präzision, die ich so noch gar nicht kannte. Und in mir reift die Erkenntnis das das hier genau das ist, wofür der Long-Dart entworfen und gebaut wurde: Hinter mir die Brandung, vor mir die Dünen, zwischen mir und dem Himmel nur mein Drachen. So fliege ich über 2 Stunden lang, vergesse die Zeit und lande erst, als die Sonne bereits im Meer versinkt. Im letzten Büchsenlicht packe ich zusammen und fahre heim.
Während ich dies schreibe bin ich ein kleines bisschen neidisch auf die Küstenbewohner, die das jeden Tag tun können. Aber mir bleiben ja noch 10 Tage Urlaub in Dänemark. Und nächstes Jahr, ja nächstes Jahr komme ich wieder.