Hmmm.... nur 3 Seiten über diesen Kite? Mag denn niemand den Drachen? Oder hat einfach nur niemand Lust, darüber zu schreiben?
Falls letzteres der Fall ist, will ich mich mal bemühen. Denn ich finde, der Kite hat mehr Resonanz verdient, als er bis jetzt bekommen hat.
Zunächst mal zu mir: Ich bin Anfänger, erst seit September diesen Jahres Trickser, komme eigentlich aus der Mattenfraktion. Aufgrund dessen wird mein Bericht natürlich anders ausfallen als der von Paul May. Ich möchte dies aber bitte als Kontrast und Ergänzung zu Pauls Bericht verstanden wissen und nicht als Besserwisserei. Ich schreibe einfach aus der Sicht eines Newbies. Meine Drachentasche umfasst bis jetzt den Enigma, zwei JJFs (UL und SUL), einen Antares und eben seit ca. 2 Wochen den Infinity Vented. Leider hatten wir hier die letzten Tage nur durchschnittlich Wind, deshalb musste der Infinity zu Hause in Wartstellung verbringen. Bis gestern...
Endlich! Wetter.com meldet 22 km/h, endlich Zeit für den Infinity. Zuhause bereits schon einmal aufgebaut, war ich natürlich ermutigt, die Bedienungsanleitung zu Hause zu lassen. Ein Fehler mit Folgen, wie sich später noch herausstellen wird...
Auf der Wiese packe ich den Infinity aus, baue ihn auf, lege ihn an die mit dem Enigma mitgelieferten Leinen, also 25m à 50kg, starte, und...
Der Kite fliegt wie ein Telefon mit Spiralkabel.
Meine Euphorie weicht allmählich der Realität, die da ist: - 9° Celsius, eiskalter Wind aus Nordost und ein Kite, der nicht fliegt, wie er eigentlich soll. Ein Glück, dass ich kein absoluter Anfänger mehr in Sachen Trickflug und deshalb in Sachen Geduld einigermaßen geübt bin. Eigentlich bin ich schon an dem Punkt angekommen, an dem ich auch mal einen Nachmittag ohne einen einzigen Walk Of Shame verbringe - heute werden es fast so viele wie am ersten Tag...
Mit Fingern, die sich anfühlen, als würden sie unverzüglich abbrechen, falls sie ungewollten Kontakt zu irgendwelcher Materie bekämen, inspiziere ich Waage sowie oQS und uQS. Ah! Aus lauter Vorfreude hat sich wohl ein Teil dieser (für einen Anfänger äußerst komplex aufgebauten) Waage in einem der Standoffs verfangen. Nächster Versuch also.
Der Kite fliegt jetzt wie ein Telefon ohne Spiralkabel. Aber immer noch wie ein Telefon.
Ich wundere mich, warum die beiden unteren Leitkanten so locker sitzen. Es liest sich pervers, aber: ein Glück, dass gerade mein JJF aufgrund einer gebrochenen unteren Leitkante im Lazarett verbringt. So ist mir das Wort "Saumschnur" nicht völlig fremd.... Ah! Armin, bei diesem Kite musst du die Saumschnur selber spannen! Für mich der Beweis, dass es sich mit einem wortwörtlich kühlen Kopf besser denkt... Dennoch: hätte ich nur mal einen kleinen Blick in die Bedienungsanleitung geworfen... Egal, Letztere liegt im warmen Wohnzimmer, ich stehe auf der kalten Wiese und vor einem Problem.
Mit Fingern, die sich inzwischen nicht mehr anfühlen, als könnten sie gleich zerbrechen, weil sie sich nämlich überhaupt nicht mehr anfühlen, schaffe ich es irgendwie, die Saumschnur an beiden Enden zu spannen. Die Mühe lohnt sich: der Preis ist ein Kite, der endlich fliegt!
Vergessen sind nun kalte Finger, kalte Füße, Walks Of Shame und Frust: Der Infinity steht majestätisch im Zenit, ich stehe majestätisch am Boden, so let the show begin...
Ich starte mit dem PancakeToFade. Wow! Der Infinity will straff behandelt werden, mit Gezuppel kann der Kite nix anfangen, er will laute, deutliche Befehle. Also gut, dann eben nochmal mit Schmackes. Ergebnis: der Kite liegt satt im Fade, ich führe ihn, wobei ich langsam nach vorne schreite. Den BellyLanding spare ich mir, ist mir zu gefährlich. Ich will nicht gleich nach dem Jungfernflug Kielstäbe bestellen müssen...
Mein Repertoire ist (noch) nicht besonders groß: SpinStall, SnapStall, Powerdive, Backflip, SideSlide, Zweipunktlandung, ein, zwei Tricks, von denen ich nicht den Namen weiß, und eben der Fade. Alles klappt, wenn man nur rennt und drischt und schlägt und.... Moment mal! Mir kommt der Wind sehr stark vor. 22 km/h? Das will hinterfragt werden. Der Windmaster meldet mir 28 km/h im Schnitt, eine Minute lang gemessen. Nö, also so haben wir ja nicht gewettet. Morgen soll weniger Wind sein.
Mit gemischten Gefühlen fahre ich nach Hause. Der anfängliche Frust ist noch nicht völlig verflogen, nicht zuletzt auch aufgrund der Erkenntnis, dass ich (als Anfänger) bei 5bft und mehr nicht auf die Wiese kann, auch wenn mein neuester Drachen Löcher im Segel hat. Man stellt sich den Effekt dieser Löcher als Anfänger doch viel größer vor. Nicht dass der Kite mich über die Wiese ziehen würde, aber er ist doch deutlich spürbar an den Leinen. Zuhause angekommen, begrüßt mich meine Frau mit erwartungsvollen Augen: "Und?" - "Ich kann noch nichts sagen.... - morgen hat's weniger Wind, schaun mer mal..."
Ein Tag später, also heute: Strahlender Sonnenschein, wetter.com meldet 17 km/h. Ich packe mal aufgrund meiner gestrigen Erfahrung 5 km/h drauf. 22 km/h? Hurra, Infinity-Wetter!
Ah! Mit einem richtig aufgebauten Kite, ohne Handschuhe (da heute nur 0°), der Sonne im Nacken und einem herrlich frischen Südwind fliegt es sich doch gleich viel besser.
Der Kite fliegt gut, lässt sich gut lenken, fliegt meines erachtens nach präzise. Anfangs spint er mir zu langsam, ich stelle ihn steiler, jetzt spint er so, wie ich das will. Alles klappt auf Anhieb: Rückwärts fliegen, Fade, Belly Landing, Belly Pop, sogar meine Sideslides können sich heute sehen lassen. Hey, die Sideslides sehen sogar richtig gut aus! Ich fange an, zu variieren und fliege die Slides aus allen möglichen Positionen heraus: mal vom Boden, mal aus dem SpinStall, mal einfach aus einem Kreis mit anschließendem Snapstall heraus.... Ich erinnere mich an die Worte auf der Bedienungsanleitung: "Endlich wieder ein Kite zum Träumen, Spielen und Entdecken". Stimmt!
Zu entdecken gibt es auch an der Hardware jede Menge: Knötchen satt! An die inneren und äußeren zwei Leitern traue ich mich heran, das andere lass ich lieber mal voerst so, wie es ist. Die Waage wirkt auf mich sowieso wie die Lenkvorrichtung in einem UFO...
Wie war das nochmal? Steiler ist geiler? Gesagt, getan. Oh ja, jetzt gefällt mir der Kite richtig gut. Ich habe noch nie einen so langsam fliegenden Kite gesehen, doch halt: vor nicht allzu langer Zeit ein Prism, ich habe aber keine Ahnung, welcher.
Der Kite wirkt jetzt noch majestätischer als ohnehin schon. Mit seinen über 2,50m Spannweite auch nicht allzu verwunderlich. Aber er fliegt so langsam...herrlich!
Der Wind wird weniger, ich nehme zum Vergleich meinen JJF UL an die Leine. Der ist richtig fix dagegen. Naja, einen UL und einen Vented zu vergleichen ist auch nicht gerade vielsagend. Dennoch: Jetzt wird mir erst so richtig klar, wie langsam der Infinity wirklich ist.
Ich fahre nach Hause. Ein wunderschöner Tag. Und das lag nur zu einem geringen Teil an dem sagenhaften Wetter. Zuhause angekommen, gilt mein erster Blick der Windvorhersage für die nächsten Tage. Och, morgen nur 11 km/h, wie schade... Aber am Mittwoch, dann hat es wieder 17 km/h. Und dreimal dürft ihr raten, welchen Kite ich dann an der Leine habe...
- Editiert von Neuromancer am 21.12.2009, 18:20 -