Lage der unteren Querspreizen

  • @ all,
    1. Thema:
    legt man den Drachen mit dem Bauch nach unten auf den Boden, ergibt sich für die meisten Drachen folgendes Bild:
    die unteren Querspreizen sind in Rückenrichtung gebogen. Sprich der Kite wackelt um die Kielachse.
    Allerdings habe ich auch schon gesehen, dass mittels speziellem Mittelkreuz, die unteren Querspreizen "nach vorne" gedrückt wurden, so dass der Drachen platt auf dem Boden lag.
    Was erhofft der Konstrukteur sich davon?


    2. Thema:
    Frage zielt auf Stabilität (andere Effekt mal außen vorgelassen).
    Drachen senkrecht aufgestellt und sich die Verbindungslinie Mittelkreuz - unterer Seitenverbinder angeschaut.
    Wird der Drachen stabiler durch eine nach unten zeigende Linie, sprich Seitenverbinder unterhalb vom Mittelkreuz?
    Oder andersherum?


    Hans

  • Salut Hans,


    zu 1:
    Ob dieser Effekt vom Konstrukteur von vornherein geplant ist, bin ich nicht so sicher. Bei der Entwicklung von Drachen tastet man sich durch anfertigen einer Reihe Prototypen an die gesuchte Flugeigenschaft heran. Meist ergeben sich dabei konstruktive Merkmale von selbst, wenn bestimmte Flugeigenschaften gesucht werden. Auch wenn ein Großteil dieser Merkmale vorausgesagt werden können.
    Ein Merkmal vieler Trickdrachen ist ein tiefer Segeltunnel mit Einsatz von zwei oder drei Whiskern pro Seite. Um diese Form auch im Flug beizubehalten, müssen die Whisker entsprechend Druck auf das Segel ausüben. Dabei hilft dann auch die auf diese Weise vorgespannte untere Querspreize. Ein weiterer Effekt sind die nach hinten, oben gebogenen Flügelspitzen die dem Drachen sein typisches Flugbild geben.
    Andere Drachen, z.B. auf Präzision gerichtet, arbeiten oft mit einer dynamischen Segelstruktur. Durch die Verbindung eines eher flachen Segels mit Tuchzugabe in bestimmten Segelzonen kommt es erst im Flug zur vollständigen Ausbildung des Segelprofils, das dann auch adaptiv bleibt. Ein solches Segel ist weniger empfindlich in schwierigen Windverhältnissen und sehr präzise in seiner Flugbahn.
    In Zusammenhang mit einem nach außen verlegtem Waagepunkt und durch Einsatz von kurzen, weichen Standoffs kann dieser dynamische Effekt noch verstärkt werden. Das Segel wölbt sich dann samt seines Mittelkreuzes nach hinten und bildet quasi einen einzigen Tunnel. Eine solche Speewing-Form ist sehr Spurtreu. In den druckschwachen Zonen am Windfenster, im Ecken- und Kurvenflug nimmt das Segel mehr oder weniger seine Ursprungsform ein und bleibt so gut kontrollierbar.


    Zu 2:
    Durch weiter unten ansetzende Leitkantenverbinder werden die Flügelspitzen etwas ruhiger. Allerdings ist die Lage der Struktur und deren Verbindungen eher an die Anknüpfpunkte der Waage gebunden als die Stabilität des strukturellen Aufbaus. Der Anknüpfpunkt der Waage hat mehr Einfluß auf das Flugbild des Drachens als die Position der oberen oder unteren Querspreize. Idealerweise verbindet man diese Positionen natürlich. Dadurch kann es durchaus vorkommen, das äußeren Leitkantenverbinder und das Mittelkreuz nicht in einer Ebene liegen, (was ich persönlich als nicht sehr gelungen empfinde).

    À plus


    Steph/Elément'Air
    Calvados/France

  • Hallo Hans,


    zu 1:


    ich würde mir als Konstrukteur erhoffen, damit all die Eddykreuze schnellstmöglich aus dem Lager zu bekommen :-O . Ein anderer Grund fällt mir nicht ein, zumal sich das nicht als Schnurkreuz realisieren lässt, wenn man keine vorgewinkelten Muffen hat. Wenn ich nicht will, dass der Drachen auf dem Kiel wackelt, kürze ich die Standoffs oder vergrößere den Bauch, entweder durch Neukonstruktion des Segels oder durch verschieben der Verbinder auf der Leitkante.


    zu 2:
    Stell Dir Mittelkreuz, oberen Seitenstabverbinder und unteren Seitenstabverbinder als Eckpunkte eines Dreiecks vor. Die gleichmäßigste Kraftverteilung innerhalb dieses Dreiecks hast Du, wenn es gleichseitig ist. An Drachen steht das aber den geometrischen Erfordernissen entgegen. Deshalb sind Spreizen meistens steifer als Leitkanten. Folglich führt die nach oben gebogene Spreize bei statischer Belastung zu einer Erhöhung der Stabilität, die nach unten gebogene zu einer Verringerung. Dabei werden natürlich nur die Kräfte innerhalb des Dreiecks betrachtet. Wie Steph schon schrieb, führt das Herabsetzen des Verbinders zu einer Stabilisierung der Flügelspitze, weil deren Überhang dadurch verkürzt wird. Ob eine nach oben gebogene Spreize aber auch unter realen Bedingungen zu mehr Stabilität führt, wage ich zu bezweifeln. Was die Formstabilität angeht ist es wohl so, in Sachen Robustheit kann die deutliche Vorspannung des Stabes dazu führen, dass er schneller bricht. Die größte Ausgewogenheit der Verbinderpositionen nützt aber nichts, wenn man anschließend eine Reverse Turbo Waage dranbaut und den Anknüpfpunkt fast auf den unteren Seitenstabverbinder legt, wenn gleich das natürlich auch seine Vorteile hat, nur halt nicht in Bezug auf die Belastbarkeit.


    Gruß
    Heiko

  • Man sollte auch berücksichtigen, dass durch eine gebogene Querspreize und weit rausstehendes Mittelkreuz der Schwerpunkt vom Drachen verändert wird. Ich bin der Meinung (und das hat bisher auch immer funktioniert), dass ein Drachen mit nach vorne gebogener QS eine stabilere Bauchlage hat. Denn der Schwerpunkt hat immer das Bestreben am tiefsten Punkt zu sein.


    Ich denke das Verhalten im Backflip wird dadurch auch verändert, da man die Standoffs als Hebel betrachten kann an denen der Drachen durch die Leinen, die an der QS liegen, aus dem Backflip gezogen wird. Sind die Standoffs länger hat man einen längeren Hebel, also wird der Drachen leichter aus dem Backflip kippen. Das hab ich zwar noch nicht ausführlich getestet, aber das ist mir schon ein paar mal aufgefallen.

  • Zitat

    Man sollte auch berücksichtigen, dass durch eine gebogene Querspreize und weit rausstehendes Mittelkreuz der Schwerpunkt vom Drachen verändert wird. Ich bin der Meinung (und das hat bisher auch immer funktioniert), dass ein Drachen mit nach vorne gebogener QS eine stabilere Bauchlage hat. Denn der Schwerpunkt hat immer das Bestreben am tiefsten Punkt zu sein.


    Das mit der Bauchlage stimmt prinzipiell. Man sollte aber auch bedenken, dass die Spreize damit entgegen ihrer Belastungsrichtung vorgespannt wird. Der Druck auf Segel und Standoffs ist dabei im Flug enorm, weshalb der Anknüpfpunkt nicht sehr weit aussen liegen sollte. Einen ähnlichen Effekt bezüglich der Bauchlage kannst Du erzielen, wenn Du die Leitkante unterhalb des unteren Seitenstabverbinders stark rundest.


    Gruß
    Heiko